Wie schon in unserem Beitrag „Der baden-württembergische Windatlas 2019 – eine Mogelpackung?“ berichtet, weist eine wissenschaftliche Studie von Prof. Thorwart (Universität Hamburg), Dr.-Ing. Detlef Ahlborn und Dipl.-Ing (FH) Jörg Saur, veröffentlicht in der Zeitschrift „Forschung im Ingenieurwesen“, erhebliche Fehler im Windatlas 2019 des Landes Baden-Württemberg nach. Da dieser jedoch das zentrale Instrument für Planungsträger, Projektierer und Genehmigungsbehörden zur Identifizierung geeigneter Standorte darstellt, hat der Verein Mensch Natur das Baden-Württembergische Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in einem offenen Brief angeschrieben und um Rücknahme des Windatlas und Überarbeitung in einer Neuauflage aufgefordert.
Darüber hinaus sollten Genehmigungen von Windkraftanlagen ausgesetzt werden, bis eine verlässliche Datenbasis gegeben ist. Nachzulesen in unserem Beitrag „Auf die Füße treten - Erinnerung an den Amtseid“.
Dies hat das Ministerium nun in seiner Antwort an den Verein abgelehnt. Im Schreiben an den Vorstand des Vereins heißt es unter anderem: „Aus Sicht meines Hauses weist der von Ihnen genannte Artikel keinesfalls Schwächen am Windatlas Baden-Württemberg nach. Der Windatlas Baden- Württemberg kann für die vorgesehenen Zwecke vollumfänglich verwendet werden und ist weder fehlerhaft noch unbrauchbar.“
Es folgen Erläuterungen des Ministeriums zum Windatlas, wie sie bereits in der Veröffentlichung aus 2019 erklärt wurden. Abschließend wird noch darauf hingewiesen, “…Daher ist es nicht sinnvoll, mit einem Wert wie der mittleren gekappten Windleistungsdichte eine Ertragsprognose für alle möglichen Anlagentypen angeben zu wollen.
Die 215 W/m2 in 160 Meter Höhe sind kein Orientierungswert für den Ertrag einer Windenergieanlage….“
Allerdings scheint man im Ministerium den eigenen Windatlas nicht zu kennen, da im interaktiven Teil der Homepage der Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg (LUBW) durchaus eine Ertragserwartung für unterschiedliche Anlagentypen und Windleistungsdichten berechnet und angezeigt wird. Auch stellt der vom Ministerium definierte Wert der mittleren gekappten Windleistungsdichte sehr wohl ein Orientierungswert für die Gebietsausweisungen der Regionalverbände zur Windkraft im Land dar, wie der Verein Mensch Natur durch Recherchen und Anfragen belegen kann.
Deshalb haben wir nochmals eine Stellungnahme vom Ministerium verlangt. In einem weiteren offenen Brief zur Antwort des Ministeriums weisen wir auf die prekäre Rechtssituation hin, sollte eine fehlerhafte Datenlage bei der Abwägung der öffentlichen Belange zur Gebietsplanung für Windkraft herangezogen werden. Hier könnten ungelöste Fragen der Haftung im Raum stehen.
Auch kritisieren wir die laxe Einstellung des Ministeriums, seinem Auftrag nachzukommen, den Schutz der Lebensgrundlagen auch für die zukünftige Generation zu sichern, wie es in der Landesverfassung in den Artikeln 1 und 3a) festgeschrieben ist.
Artikel 1
(1) Der Mensch ist berufen, in der ihn umgebenden Gemeinschaft seine Gaben in Freiheit und in der Erfüllung des christlichen Sittengesetzes zu seinem und der anderen Wohl zu entfalten.
(2) Der Staat hat die Aufgabe, den Menschen hierbei zu dienen. Er fasst die in seinem Gebiet lebenden Menschen zu einem geordneten Gemeinwesen zusammen, gewährt ihnen Schutz und Förderung und bewirkt durch Gesetz und Gebot einen Ausgleich der wechselseitigen Rechte und Pflichten.
Artikel 3a
(1) Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Diese Vorgabe, an die sich das Ministerium zu halten hat, auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Windkraftausbaus, ist verpflichtend. Deshalb fragen wir in unserem offenen Brief zur Antwort an das Ministerium: “Die Maschinen haben eine mittlere Lebensdauer von 20 Jahren. Wie stellt sich denn der Bedarf an Landschaft in 20, 40 oder 60 Jahren dar, wenn die Maschinen stillgelegt werden, und neue Maschinen errichtet werden sollen? Was geschieht mit den alten, verdichteten Flächen? Wo sollen dann die Standorte der neuen Maschinen stehen?
Gibt es dann noch zusammenhängende Waldgebiete? Welche Auswirkungen hat die weitere Verdichtung der Flächen auf den Wasserhaushalt? Wann gehen uns die Standorte aus? Welche Landschaft hinterlassen wir unseren Kindern?“
Unsere Antwort zu der Ablehnung des Baden-Württembergischen Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft können Sie hier herunterladen:
Unsere Pressemitteilung finden Sie unter diesem Link:
Nach der Kritik aus der Windbranche und unseren Briefen wurde die Bestätigung der wissenschaftlichen Studie vom Springer Verlag plötzlich zurückgezogen. Der den Autoren vorgeworfene methodische Fehler wurde nicht dargestellt und die Autoren bekamen nicht die Möglichkeit im Diskurs ihren Fehler zu bereinigen.
Wir werden weiterhin versuchen, die Menschen über die Entwicklung zum Windkraftausbau in der Region aufzuklären. Unsere Informationsveranstaltung in Birenbach war gut besucht und die Besucher waren überrascht, welche umfangreichen Planungen zur Windkraftnutzung auf dem Schurwald im Raum stehen. Hier geht es zu unserem Beitrag „Informationsveranstaltungen zu den Windkraftplänen der Region Stuttgart“